Nicht-Zöliakie-Glutensensitivität

Mikronährstofftherapie

Definiton

Die Nicht-Zöliakie-Glutensensivität (NZGS, engl. non-coeliac gluten sensitivity (NCGS), Glutensensivität, Glutenunverträglichkeit) ist ein Krankheitsbild, bei dem Betroffene auf das Klebereiweiß Gluten reagieren. Gluten kommt in den Getreidesorten Weizen, Roggen, Gerste, Hafer sowie deren Hybridarten wie z.B. Dinkel, Kamut, Einkorn, Emmer, Grünkern und Triticale vor. Im Gegensatz zur Zöliakie und Weizenallergie treten bei Patienten mit Glutensensivität nach dem Verzehr von glutenhaltigen Lebensmitteln allerdings weder Antikörper im Blut noch Schädigungen der Dünndarmschleimhaut auf. Durch den Verzicht von glutenhaltigen Lebensmitteln kommt es bei den Betroffenen zur Besserung der Symptome. In Expertenkreisen wird die Nicht-Zöliakie-Glutensensivität erst seit den letzten Jahren vermehrt diskutiert. 
 

Ursache

Über die genaue Ursache der Nicht-Zöliakie-Glutensensivität sind sich Experten noch uneinig. Neben Gluten kommen auch die sogenannten Amylase-Trypsin-Inhibitoren (ATI) infrage, die von Getreideähren als Abwehrstoffe gegen Schädlinge, Pilze oder Parasiten ausgebildet werden. Durch den stetig steigenden Getreideverbrauch und den damit verbundenen Wunsch nach resistenten Sorten haben sich die ATI-Konzentrationen in den letzten Jahren um einiges vervielfacht. Möglicherweise spielen ATI für die Nicht-Zöliakie-Glutensensivität eine bedeutendere Rolle als Gluten. Das vermehrte Auftreten von Nicht-Zöliakie-Glutensensivität könnte damit in starkem Zusammenhang stehen.
 

Symptomatik

Bei den Betroffenen kommt es oftmals Stunden oder Tage nach dem Verzehr von glutenhaltigen Nahrungsmitteln zu körperlichen, psychischen oder auch neurologischen Symptomen wie u.a. Verdauungsbeschwerden, Durchfall, Verstopfung, Blähungen, Übelkeit, Knochen- und Gelenkschmerzen, Kopfschmerzen, Migräne, Müdigkeit, Schwäche, Muskelschwäche, Hautekzeme, depressive Verstimmungen sowie Stimmungsschwankungen, Anämien und Reizbarkeit. Die Symptome der Nicht-Zöliakie-Glutensensivität ähneln denjenigen, die nach dem Genuss von sogenannter FODMAPs (engl. Abkürzung für fermentierbare Oligo-, Di- und Monosaccharide sowie Polyole) als klassische Reizdarmsymptome auftreten. 
 

Diagnose

Bei der Nicht-Zöliakie-Glutensensivität handelt es sich um eine Ausschlussdiagnose. Wenn beim Patienten weder eine Zöliakie noch eine Weizenallergie diagnostiziert wird und sich die Symptome bei glutenfreier Ernährung schnell bessern, ist eine Nicht-Zöliakie-Glutensensivität anzunehmen. Im Serum kann auf das Vorhandensein von Anti-Gliadin-IgA-/IgG-Antikörpern sowie auf erhöhte Werte des fettsäurebindenden Proteins 2 (FABP2), auf Zonulin sowie löslichen CD14 (sCD14) getestet werden.
 

Therapie

Im Vordergrund der Therapie bei Nicht-Zöliakie-Glutensensivität steht der Verzicht auf glutenhaltige Lebensmittel. Eine strikte Einhaltung einer glutenfreien Diät ist im Gegensatz zur Zöliakie und Weizenallergie allerdings nicht notwendig. Neben glutenfreien Getreidearten und sogenanntem Pseudocerealien wie Reis, Mais, Hirse, Buchweizen, Amaranth und Quinoa stehen Zöliakiepatienten zusätzlich diätetische Lebensmittel zur Verfügung, die das internationale Glutenfreisymbol (eine durchgestrichene Weizenähre) als Gütesiegel tragen. Durch den Verzicht auf glutenhaltigen Lebensmittel kommt es bei den Betroffenen binnen kurzer Zeit zu einer starken Linderung und zum Rückgang der Symptome. 
 

Relevante Mikronährstoffe

Bei einer glutenfreien Ernährung kann es durch den Verzicht auf Getreidesorten wie Weizen, Dinkel und Co. zu einer Unterversorgung mit Nährstoffen kommen. In mehreren, teils langfristig angelegten Studien in verschiedenen Ländern wurde festgestellt, dass vor allem Nährstoffe wie Eisen, Magnesium, Vitamin B12, Vitamin D, Vitamin B6, Thiamin (Vitamin B1), Riboflavin (Vitamin B2), Niacin (Vitamin B3) sowie Folsäure, Zink, Magnesium und Calcium betroffen sind. Außerdem droht bei einer langfristig eingehaltenen glutenfreien Diät eine Unterversorgung mit Ballaststoffen, wenn hauptsächlich glutenfreie Fertigprodukte konsumiert werden, die oftmals primär aus Stärke bestehen. Besonders sinnvoll ist daher das Ersetzen von glutenfreien Fertigprodukten durch sogenannte Pseudocerealien wie Amaranth, Buchweizen, Quinoa, Sorghum und Teff. Der Konsum von Pseudocerealien konnte in Studien die Aufnahme von Protein, Eisen, Calcium und Ballaststoffen bei Patienten mit Glutenunverträglichkeit deutlich verbessern. Aber auch Hafer kann laut einer schwedischen Studie die Nährstoffdichte an Ballaststoffen, Thiamin (Vitamin B1), Riboflavin (Vitamin B2), Niacin (Vitamin B3) sowie Folsäure und Eisen in einer glutenfreien Diät deutlich erhöhen. Eine regelmäßige Überprüfung der Nährstoffzufuhr bei Patienten mit glutenfreier Ernährung ist daher anzuraten.

In mehreren Studien wurde der Einfluss von Probiotika mit ihren entzündungshemmenden Eigenschaften auf die Zusammensetzung der Darmflora untersucht. Es konnte gezeigt werden, dass Probiotika ein beträchtliches Potenzial in der therapeutischen Anwendung und Behandlung von gastrointestinalen Symptomen im Zusammenhang mit NCGS haben. Grund dafür ist ihre Fähigkeit, die Zusammensetzung der Darmflora positiv zu beeinflussen, aber auch das Fehlen von Nebenwirkungen bei ihrer Einnahme. Des Weiteren können Probiotika die Fremdbesiedelung der Darmschleimhaut mit pathogenen Keimen reduzieren und deren Wachstum einschränken. Dadurch zeigen sie bei Durchfallerkrankungen, Gastroenteritiden, unspezifischen sowie viren- und antibiotikainduzierten Durchfällen eine hohe Effizienz sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern. Auch die Barrierefunktion der Darmschleimhaut wird gefördert, wodurch weniger pathogene Keime in den Körper eindringen können. Dies ist besonders bei kritisch erkrankten Personen von Bedeutung. Durch die Einnahme von Antibiotika oder eine Strahlen- oder Chemotherapie können ebenfalls erhebliche Störungen in der mikrobiellen Besiedelung des Darms auftreten, was wiederum ein vermehrtes Ansiedeln pathogener Keime ermöglicht. Eine gezielte Unterstützung der Darmflora bereits während der medikamentösen Intervention kann dies verhindern bzw. minimieren.

Das gastrointestinale Schleimhautepithel stellt eine strukturelle und immunologische Barriere gegen das breite Spektrum von schädlichen Substanzen dar. Eine beeinträchtigte Integrität der Darmschleimhaut und eine Störung der gastrointestinalen Schleimhautbarrierefunktion ("Leaky-Gut-Syndrom") stehen im Zusammenhang mit Hunger, Verletzung, Infektion, Immunsuppression, Chemotherapie, einem Mangel an enteraler Ernährung, Strahlung, Trauma, Verbrennungen und anderen Arten von Stress. Die Störung der Integrität der Darmschleimhaut und der Schleimhautbarrierefunktion führt zu einer erhöhten Permeabilität für Allergene, Toxine und Pathogene - eine immunologische Stressreaktion und Entzündung sind die Folge. Glutamin gilt als der wichtigste Nährstoff für die Heilung des "Leaky-Gut-Syndroms", da es der bevorzugte Brennstoff für Enterozyten und Kolonozyten ist. Ein niedriger Spiegel an Serumglutamin korreliert mit Störungen der Darmbarriere, Entzündungen und Durchfallerkrankungen bei Kindern. Mit Glutamin angereicherte parenterale und enterale Diäten verbessern die Darmbeschaffenheit und -funktion signifikant. Eine Dysfunktion der Darmbarriere und Endotoxämie sind mit der Pathogenese von entzündlichen Darmerkrankungen wie Colitis ulcerosa und Morbus Crohn assoziiert. Die Supplementierung mit Glutamin reduzierte signifikant die klinischen und endoskopischen Werte bei Patienten mit Colitis ulcerosa. Daher zeigen sowohl experimentelle Studien als auch klinische Beobachtungen, dass Glutamin eine entscheidende Rolle bei der Aufrechterhaltung und Wiederherstellung der Darmbarrierefunktion spielt.

Ballaststoffe dienen mit ihren Polysacchariden als unverdauliche Nahrungsbestandteile einigen Arten von Darmbakterien als Nahrungsquelle und tragen somit bedeutend zur Erhaltung der Darmgesundheit bei. US-amerikanische Forscher haben herausgefunden, dass diese Bakterien bei extrem ballaststoffarmer Ernährung eine alternative Nahrungsquelle nutzen und Polysaccharide des Schleims abbauen, der die Innenwand des Darms auskleidet. Demnach führte bereits ein kurzzeitiger Mangel an Ballaststoffen in einem Experiment mit Mäusen zu einem Abbau der Schleimschicht des Darms, was zu einer Steigerung des Infektionsrisikos führte. Das ist ein Hinweis darauf, dass eine zu geringe Zufuhr von Ballaststoffen eine Ursache für chronisch-entzündliche Darmerkrankungen sein könnte.

Aspergillusniger-Prolylendopeptidase (AN-PEP) hat sich in mehreren Studien im Abbau von Gluten als wirksam erwiesen. So konnte gezeigt werden, dass AN-PEP die Verdauung von Gluten im Magen von Gesunden deutlich verbessert hat. In einem dynamischen System, das dem menschlichen Gastrointestinaltrakt ähnelt (TIM-System), beschleunigte AN-PEP den Abbau von Gluten in der Magenkammer in so einem Ausmaß, dass kaum Gluten den Zwölffingerdarm erreichten. Schwerwiegende Nebenwirkungen durch den Konsum von AN-PEP konnten auch in einer doppelblinden, placebokontrollierten Pilotstudie bei Patienten nicht festgestellt werden. Im Gegensatz zu anderen untersuchten Enzymen wird AN-PEP nicht durch das im Magen vorhandene Pepsin sowie den dort herrschenden sauren pH-Wert irreversibel inaktiviert. Es konnte beobachtet werden, dass AN-PEP bei einem pH-Wert von 4 bis 5 optimal arbeitet, bei einem pH-Wert von 2 stabil bleibt und vollständig resistent gegen die Verdauung mit Pepsin ist. Im Durchschnitt reduzierte AN-PEP Glutenpeptide 60-mal schneller als eine Prolylologopeptidase und baute intakte Glutenmoleküle effizient ab. Diese Studien weisen darauf hin, dass die Beigabe von AN-PEP zu glutenhaltigen Mahlzeiten die Toxizität von Gluten abschwächen könnte. Demnach könnte AN-PEP als orale Ergänzung verwendet werden, um die Glutenaufnahme bei Patienten zu reduzieren. 
 

Unterscheidung Zöliakie, Nicht-Zöliakie-Glutensensivität, Weizenallergie

Obwohl bei der Zöliakie und der Nicht-Zöliakie-Glutensensivität sowie der Weizenallergie eine Unverträglichkeit gegen Gluten besteht, unterscheiden sich die drei Erkrankungen hinsichtlich ihrer Reaktion auf den Körper.

1. Bei der Weizenallergie handelt es sich um eine IgE-antikörperassoziierte Nahrungsmittelallergie auf Gluten.
2. Zöliakie ist eine T-Zell-vermittelte Reaktion mit dementsprechenden IgA-Antikörpern.
3. Bei der Nicht-Zöliakie-Glutensensivität werden hingegen keine Antikörper gebildet.

Laboruntersuchung

Mögliche Laboruntersuchung (GANZIMMUN DIAGNOSTICS AG) Detailinformation
Anti-Gliadin-IgA-/IgG-Antikörper

Untersuchung auf das Vorhandensein von Anti-Gliadin-IgA-/IgG-Antikörper im Serum

Zöliakie / Nicht-Zöliakie-Weizensensivität

Fettsäure-bindendes Protein 2 (FABP2)

Untersuchung auf erhöhte Werte von fettsäurebindenden Proteins 2 (FABP2) im Serum

Zöliakie / Nicht-Zöliakie-Weizensensivität
Zonulin

Untersuchung auf erhöhte Werte von Zonulin im Serum

Zöliakie / evtl. Nicht-Zöliakie-Weizensensivität / evtl. Weizenallergie

Lösliches CD14 (sCD14) 

Untersuchung auf erhöhte Werte von löslichem CD14 (sCD14) im Serum   

Nicht-Zöliakie-Glutensensivität

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