Taurin

Synonym(e): 2-Aminoethansulfonsäure, 2-Sulfoethylamin
Nährstoffgruppe: Aminosäuren

Vorkommen und physiologische Effekte

Vorkommen in der Nahrung

Taurin ist ein schwefelhaltiges Aminosäurederivat, welches vom Körper synthetisiert werden kann. Während Mischköstler über die Ernährung zusätzlich ca. 50 - 400 mg Taurin zuführen, nehmen Vegetarier kaum Taurin zu sich. Insbesondere Fisch und Fleisch liefern hohe Mengen an Taurin, wobei der Gehalt bei intensiver Muskelnutzung (z.B. Wildtiere) weitaus höher liegt.

Physiologische Effekte
Fettstoffwechsel
  • Wichtige Rolle im Fettstoffwechsel durch Bildung von Gallensäurekonjugaten
Herz-Kreislauf
  • kurzzeitige Stimulation des Einstromes und der Membranbindung von Calcium
  • Antiarrhythmische und positiv inotrope Wirkung am Herzen durch Stabilisierung des Membranpotentials und Regulierung des Einstroms von Calcium bei langfristiger Einnahme
Immunsystem
  • Hemmung der Apoptose von Immunzellen
  • Antiinflammatorische Wirkung durch Reduktion der TNF-α-Produktion
Antioxidans
  • Als Antioxidans schützt es z.B. die Retina vor oxidativen Schäden

Referenzwerte

Bedarf
Erhöhter Bedarf Strahlentherapie, Zytostatika, Kleinkinder, bei Augenerkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, veganer Ernährung, Mangel an Cofaktoren (Vitamin B6, Cystein, Methionin) 
Referenzwert laut Lebensmittelkennzeichnungsverordnung  g /d
(=100 % TB-Kennzeichnung auf Etikett) k. A. 
Sicherheit des Nährstoffes  
Highest Observed Intake (HOI)
 
Höchste in Studien publizierte Dosierung ohne negative Effekte (inoffizieller Wert) 3 g/d
              

Besondere Informationen

Bedingt essentielle Aminosäure Taurin
Taurin ist ein schwefelhaltiges, antioxidativ wirksames Aminosäurederivat, welches in der Leber aus L-Cystein oder L-Methionin unter Vitamin-B6-Beteiligung gebildet wird. Im Gegensatz zu anderen Aminosäuren wird Taurin nicht für den Eiweißaufbau im Körper verwendet und ist somit nicht proteinogen. Für Kleinkinder und Frühgeborene ist Taurin dennoch essentiell.1 Als Bestandteil der Muttermilch ist dieses Aminosäurederivat unter anderem an der Gehirnentwicklung sowie am Sehvorgang der Heranwachsenden beteiligt.2 Nach Glutamin ist Taurin die am höchsten konzentrierte Aminosäure im freien Aminosäurepool. Das Zentralnervensystem, die Augenlinse und die Blutplättchen sind besonders taurinreich.3 Einzelne nicht essentielle Aminosäuren können unter bestimmten Bedingungen Essenzialität erlangen. Solche Aminosäuren werden als bedingt essentiell bezeichnet. Taurin zählt zu dieser Gruppe, da unter metabolischem Stress eine Verarmung des Gewebes an dieser Aminosäure eintritt. Die endogene Syntheserate reicht dann nicht aus, um den gesteigerten Bedarf zu decken oder die Abbauraten zu kompensieren.2
 
Taurin als potentes Antioxidans
Durch ausgeprägte antioxidative Effekte schützt Taurin Zellmembranen und Gewebe wie die Retina des Auges vor oxidativen Schäden und ist zudem an der Detoxifikation endogener und exogener potentiell toxischer Verbindungen wie Xenobiotika beteiligt.
 
Taurin senkt das Risiko für Gallensteine
Gemeinsam mit Glycin ist es für den Stoffwechsel der Gallensäuren und die Fettresorption essentiell.4 Die in der Leber aus Cholesterin synthetisierten Gallensäuren werden als Taurinkonjugate in den Dünndarm sezerniert. Studien deuten darauf hin, dass Taurin das Risiko für Gallensteine senkt.5
 
Niereninsuffizienz stört Taurinhaushalt
Bei der Aufrechterhaltung der physiologischen Taurinkonzentration spielen die Nieren eine wichtige Rolle. Bei chronischer Niereninsuffizienz können deutlich reduzierte Spiegel antioxidativ wirksamen Taurins im Gewebe und Plasma beobachtet werden. Durch oxidative Prozesse können die Glomerulimembranen geschädigt und so die Entwicklung von Nierenerkrankungen begünstigt werden. Taurin schützt in vitro und in vivo die Membranen des Tubulusepithels und der Glomeruli vor der Lipidoxidation.6
 
Taurin begleitend bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Taurin weist positiv inotrope, blutdrucksenkende und antiarrhythmische Effekte auf. Auf zellulärer Ebene ist es an der Regulation des Calcium- und Magnesiumhaushaltes sowie an der Stabilisierung der Herzmuskelzellen beteiligt.3, 4 Hohe Taurinspiegel scheinen bei Patienten mit erhöhten Cholesterinspiegeln kardioprotektiv zu sein.7 Bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz konnte die vierwöchige therapeutische Gabe von 3 x täglich 2 g Taurin den Schweregrad nach NYHA signifikant verbessern.8 Bei kardiovaskulären Erkrankungen und Hypertonie werden 500 mg bis 4 g Taurin täglich empfohlen.4
 
Schutzfaktor bei degenerativen Augenerkrankungen
Die Zellschicht der Photorezeptoren der Retina besitzt die höchste Konzentration an Taurin im gesamten Zentralnervensystem. In Tierstudien führte die Taurinentleerung zu einer Degeneration der Photorezeptorzellen.9 Vermutlich schützt Taurin die mehrfach ungesättigten Fettsäuren (MUFAS) in der Retina vor der Lipidperoxidation durch Hypochlorit, das in der Retina gebildet wird. Bei degenerativen Augenerkrankungen, wie seniler Katarakt oder altersbedingte Makuladegeneration, wird adjuvant 500 mg bis 2 g Taurin täglich empfohlen.4
 
Erniedrigte Taurinspiegel bei Diabetes mellitus
Auch Diabetiker können von adjuvanten Tauringaben profitieren. Bei Diabetikern kann ein erniedrigter Taurinspiegel in Plasma und Thrombozyten sowie eine erhöhte Thrombozytenaggregation beobachtet werden. Substitutionen normalisieren die Thrombozyten- und Plasmaspiegel sowie die Thrombozytenaggregation.10 Zudem zeigen Studien eine positive Wirkung von Taurin auf die Insulinresistenz und auf mögliche Spätfolgen der Diabetes wie diabetische Neuropathien oder Katarakt.11
 
Taurin für den Sportler
Ausdauersportler verwenden Taurin zur Unterstützung der Kraft und des Schlagvolumens des Herzmuskels. Die Gabe von 1 g Taurin führte bei Ausdauerathleten zu einer Verbesserung der Ausdauerleistung und einer 20 %igen Erhöhung des Schlagvolumens in der Regenerationsphase.12 Im Kraftsport und im Bodybuildingsegment wird Taurin (z.B. 2 g Taurin/d) zur Optimierung des Flüssigkeitshaushaltes der Muskelzellen verwendet, um eine gute Basis für eine effektive Muskelsynthese zu schaffen. In Kombination mit Glutamin kann Taurin zur Stabilisierung des Immunsystems und Verringerung der Infektanfälligkeit beitragen. Eine Taurinverarmung des Gewebes steigert das Risiko für Entzündungen.3, 13
 
Taurin im Alterungsprozess

Taurin zeigt sich außerdem vielversprechend im Zusammenhang mit oxidativem Stress und dem Alterungsprozess. Eine doppelblinde randomisierte Studie mit 24 teilnehmenden Frauen im Alter zwischen 55 und 70 Jahren ergab, dass eine tägliche Supplementierung von 1,5 g Taurin über einen Zeitraum von 16 Wochen einen positiven Einfluss auf Marker des oxidativen Stresses hatte, mit einem Anstieg der Superoxid-Dismutase (SOD) und einer Verringerung eines Markers für Lipidperoxidation, Malondialdehyd (MDA).14

Labordiagnostik

Parameter Substrat Referenzwert Beschreibung
Taurin Urin 90 - 800 µmol/g 2. Morgenurin, angesäuert
  Blut (Serum) 57 - 228 nmol/ml Aminosäurentestset, Einzelparameter

Mögliche Mangelsymptome

Auswirkung auf Symptomatik
Gallenstoffwechsel Gestörte Gallensäurekonjugation und Beeinträchtigung des Leberstoffwechsels
Auge Retinale Degeneration
Herz-Kreislauf Erhöhtes Risiko für Kardiomyopathien
Lunge Erhöhte Anfälligkeit für Lungenentzündungen und Lungenödeme
Immunsystem Immunschwäche

Indikation

Effekt Indikation Dosierung
Physiologische Effekte
mit niedrigen
Nährstoffdosierungen
Zur Stabilisierung der körpereigenen Taurinspiegel bei Diabetes- und Nierenerkrankungen 1 – 4 g/d
Therapiebegleitend bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen 0,5 – 4 g/d
Adjuvant bei degenerativen Augenerkrankungen wie AMD oder Katarakt 0,5 – 4 g/d
Zur Unterstützung des Nervenstoffwechsels sowie des Leber-Galle-Systems 1 – 2 g/d
Bei Ausdauersportlern zur Verbesserung der Ausdauerleistung und zur Verringerung der Infektanfälligkeit 1 – 4 g/d
Zur Förderung des Anti-Agings 1,5 g/d

Einnahme

Allgemeiner Einnahmemodus
 
Wann
 
Taurin sollte zur Verbesserung der Aufnahme zwischen den Mahlzeiten eingenommen werden.
Nebenwirkungen
In seltenen Fällen können gastrointestinale Störungen (wie Durchfall) und Schläfrigkeit auftreten. Bei Patienten mit Epilepsie konnten nach Taurinsupplementierung (1,5 g/d) Kopfschmerzen, Gehstörungen und Übelkeit festgestellt werden.
 
Kontraindikationen
Nach aktuellem Kenntnisstand sind keine Kontraindikationen bekannt.

Interaktionen

Interaktionen mit Arzneimitteln
Keine Nach aktuellem Kenntnisstand sind keine relevanten Wechselwirkungen bekannt.
Interaktionen mit anderen Nährstoffen
Spurenelemente Taurin verbessert bei Einnahme von Eisen dessen Plasmaspiegel.

Verbindungen

Beschreibung des Mikronährstoffes
Schwefelhaltige, nicht proteinogene Aminosäure
Verbindungen
 Taurin

Referenzen

Referenzen

1 Gröber, U. Mikronährstoffe: Metabolic Tuning –Prävention –Therapie, 3. Auflage. Stuttgart: WVG Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 2011.
2 Hahn, A., Ströhle, A., Wolters, M. Ernährung: Physiologische Grundlagen, Prävention, Therapie, 3. neu bearbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 2016.
3 Gröber, U. Metabolic Tuning statt Doping: Mikronährstoffe im Sport, 1. Auflage. Stuttgart: S. Hirzel Verlag GmbH & Co., 2008.
4 Gröber, U. Orthomolekulare Medizin: Ein Leitfaden für Apotheker und Ärzte, 3. unveränderte Auflage. Stuttgart: WVG Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 2008.
5 Paauw, J. D., Davis, A. T. 1996. The effect of taurine supplementation on cholestasis in trauma patients. Journal of the American College of Nutrition. 15(5).#
6 Trachtman, H., Sturman, J. A. 1996. Taurine: A therapeutic agent in experimental kidney disease. Amino Acids. 11:1–13.
7 Wójcik, O. P. et al. 2013. Serum taurine and risk of coronary heart disease: a prospective, nested case-control study. Eur J Nutr. 52(1):169-178. doi: 10.1007/s00394-011-0300-6.
8 Azuma, J. et al. 1985. Therapeutic effect of taurine in congestive heart failure: A double-blind crossover trail. Clin Cardiol. 8(5):276-282.
9 Lombardini, J. B. 1991. Taurine: Retinal function. Brain Research Reviews. 16(2):151-169.
10 Franconi, F. et al. 1995. Plasma and platelet taurine are reduced in subjects with insulin-dependent diabetes mellitus: Effects of Taurin supplementation. Am J Clin Nutr. 61(5):15-119.
11 Ito, T., Schaffer, S. W., Azuma, J. 2012. The potential usefulness of taurine on diabetes mellitus and its complications. Amino Acids. 42(5):1529-39. doi: 10.1007/s00726-011-0883-5. 
12 Baum, M., Weiss, M. 2001. The influence of a taurine containing drink on cardiac parameters before and after exercise measured by echocardiography. Amino Acids. 20(1):75-85.
13 Schuller-Levis, G. B., Park E. 2004. Taurine and Its Chloramine: Modulators of Immunity. Neurochemical Research. 29(1):117–126. 
14 Abud, G. F. et al. 2022. Taurine as a possible antiaging therapy: A controlled clinical trial on taurine antioxidant activity in women ages 55 to 70. Nutrition. 101:111706.

Referenzen Interaktionen
Stargrove, M. B. et al. Herb, Nutrient and Drug Interactions: Clinical Implications and Therapeutic Strategies, 1. Auflage. St. Louis, Missouri: Elsevier Health Sciences, 2008.
Gröber, U. Mikronährstoffe: Metabolic Tuning –Prävention –Therapie, 3. Auflage. Stuttgart: WVG Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 2011.
Gröber, U. Arzneimittel und Mikronährstoffe: Medikationsorientierte Supplementierung, 3. aktualisierte und erweiterte Auflage. Stuttgart: WVG Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 2014.

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