Proteinogene Aminosäuren

Synonym(e): Alanin, Asparaginsäure, Cystein, Cystin, Glycin, Histidin, L-Alanin, L-Asparaginsäure, L-Cystein, L-Cystin, L-Glycin, L-Histidin, L-Prolin, L-Serin, Prolin, Serin
Nährstoffgruppe: Aminosäuren

Vorkommen und physiologische Effekte

Vorkommen in der Nahrung

L-Asparaginsäure wurde erstmals aus Keimlingen von Hülsenfrüchten mittels Hydrolyse von dem darin enthaltenen Asparagin gewonnen. Eine gute Quelle für L-Asparaginsäure ist Spargel. Auch Kartoffeln, Fleisch, Eier oder Alfalfa enthalten die nicht essentiellen Aminosäure in nennenswerten Anteilen.

L-Alanin ist eine nicht essentielle proteinogene Aminosäure, die vom menschlichen Stoffwechsel biosynthetisiert werden kann. In der Ernährung ist die verzweigtkettige Aminosäure beispielsweise in Gelatine, Rind- und Schweinefleisch, Hühnerei oder Reis zu finden.

L-Cystein ist eine schwefelhaltige proteinogene Aminosäure, die in der Leber von erwachsenen Menschen aus L-Methionin hergestellt werden kann. In Lebensmitteln ist der Gehalt von L-Cystein schwer zu bestimmen, weshalb im Regelfall der Gehalt an Cystin einem Dipeptid aus zwei Molekülen Cystein - gemessen wird. Als gute pflanzliche Quellen für L-Cystein gelten beispielsweise getrocknete Sojabohnen, Sonnenblumenkerne, Walnüsse und Weizenvollkornmehl. Tierische L-Cystein-Lieferanten sind Molkenprotein, Hühnerei, Fleisch und Lachs.

Glycin ist die kleinste Aminosäure natürlicher Herkunft. Sie kann im Körper aus verschiedenen Vorstufen (Serin, Cholin, Threonin, Glyoxylat) gebildet werden und gilt deshalb als nicht essentiell. In der Ernährung sticht insbesondere Gelatine durch ihren hohen Glycingehalt hervor. Auch getrocknete Sojabohnen, Linsen, Kürbiskerne sowie Fleisch und Ei enthalten nennenswerte Mengen. Wie generell alle Aminosäuren wird auch Glycin auf nüchternen Magen besser verwertet.

L-Histidin ist eine proteinogene semiessentielle Aminosäure. In bestimmten Situationen, wie bei chronischem Nierenversagen oder im Säuglings- und Kleinkindalter, ist der menschliche Organismus auf die Zufuhr von außen angewiesen. Als gute pflanzliche Histidinlieferanten gelten beispielsweise getrocknete Sojabohnen, Weizenkeime und Vollkornmehl, tierische Quellen sind z.B. Fleisch, Thunfisch, Lachs und Ei.

L-Prolin ist eine nicht essentielle proteinogene Aminosäure, welche im Körper zur Bildung von Kollagen benötigt wird. In der Ernährung kommt L-Prolin in höheren Mengen beispielsweise in Sojabohnen, bestimmten Käsesorten (z.B. Emmentaler, Edamer) und Vollkornprodukten vor.

L-Serin ist eine nicht essentielle proteinogene Aminosäure, deren Name (lat. sericum: Seide) darauf zurückzuführen ist, dass diese Aminosäure erstmals aus Seidenleim isoliert wurde. In der Ernährung ist L-Serin in verschiedenen eiweißreichen Lebensmitteln vorzufinden. Zu Quellen zählen Eier, Hafer, Mais sowie Milch und Milchprodukte.

L-Cystin ist ein nicht essentielles schwefelhaltiges Dipeptid, welches aus zwei Molekülen Cystein besteht und in hohen Konzentrationen in Haut, Haaren und Immunzellen zu finden ist. Bei Bedarf kann der Körper Cystin und Cystein ineinander umwandeln. Zu Lebensmitteln mit einem nennenswerten Cystingehalt zählen Fleisch, Eier, Milch- und Vollkornprodukte.

Physiologische Effekte
Proteinbiosynthese
  • L-Prolin beeinflusst  die Faltung von Proteinen.
  • L-Cystein trägt zur Stabilisierung von Proteinstrukturen durch Disulfidbrücken bei.
  • L-Cystein wird für die Taurinsynthese benötigt.
  • Glycin stellt die zentrale C2N-Einheit für alle Purine (DNA) dar.
Kohlenhydratstoffwechsel
  • L-Alanin kontrolliert den Blutzuckerspiegel durch Freisetzung von Glukagon und Synthese von Glukose aus Glykogen bei Hypoglykämie.
  • L-Alanin regt das Pankreas zur Insulinausschüttung an.
Nervensystem
  • L-Asparaginsäure fungiert im zentralen Nervensystem als Transmitter.
  • Glycin ist ein inhibitorischer Neurotransmitter des zentralen Nervensystems.
  • L-Histidin ist an der Synthese von Histamin (Neurotransmitter und Gewebshormon) beteiligt.
Spurenelemente
  • L-Histidin ist am Transport und an der Aufnahme von Zink, Kupfer und Eisen beteiligt.
Haut und Haare
  • L-Prolin ist die Vorstufe des L-Hydroxyprolins, das unter Beteiligung des Vitamin C nach Einbau in Kollagen entsteht und dessen mechanischen Eigenschaften bestimmt.
  • L-Cystin ist ein wichtiger Baustein für den Aufbau des Haarkeratins, welches aus zwei Molekülen L-Cystein besteht.
  • L-Cystein ist in Strukturproteinen enthalten, die Bindegewebe und Haaren Festigkeit geben.
Enzymaktivität
  • L-Serin spielt bei der Aktivierung bzw. Inaktivierung von Enzymen eine wichtige Rolle.
Antioxidans
  • L-Cystein und Glycin werden zur Synthese von Glutathion benötigt.
  • L-Histidin wirkt als Sauerstoffradikalfänger.
Entgiftung
  • L-Alanin reguliert den Abtransport von NH3 aus dem Muskel und fördert die Synthese von Harnstoff (Urea) in der Leber.
  • L-Asparaginsäure ist am Harnstoffzyklus beteiligt.

Referenzwerte

Bedarf und Sicherheit des Nährstoffes
Empfohlene Zufuhr Erwachsene mit normalem Stoffwechsel: 1 g/kg KG täglich
Erwachsene mit katabolem Stoffwechsel durch Sport, Stress oder Krankheit: 1 – 2 g/kg KG täglich
Erhöhter Bedarf  Schwangerschaft und Stillzeit, Wachstum, Senioren, Sport, Rekonvaleszenz, nach Verbrennungen, Alkoholabusus, chronischentzündliche Darmerkrankungen, Kurzdarmsyndrom, Tumorkachexie
Besondere Risikogruppen für
einen Mangel
Rekonvaleszente, Sportler, Senioren, Turmorpatienten
Sicherheit des Nährstoffes
  • L-Cystein: In Lebensmitteln zur Mehlbehandlung als Zusatzstoff (E 920) ohne Höchstmengenbeschränkung (quantis satum) erlaubt
  • L-Histidin: NOAEL (Maximale Aufnahmedosis, die in Studien keine schädigenden Auswirkungen verursachte) 4 – 4,5 g

Besondere Informationen

Proteinogene Aminosäuren - grundlegende Bausteine des menschlichen Körpers
Im menschlichen Organismus bilden Proteine den Hauptbestandteil der organischen Makromolekühle. Rund 50.000 verschiedene Proteine fungieren als essentielle Struktur- und Funktionsträger für alle Lebensvorgänge. Grundbausteine der Proteine sind L-Aminosäuren (α-Aminocarbonsäuren). Für die körpereigene Proteinsynthese werden 20 proteinogene Aminosäuren herangezogen - neun von ihnen gelten als essentiell und müssen über die Nahrung zugeführt werden (1) (2). Zudem gibt es Aminosäuren, die der Körper unter normalen Stoffwechselbedingungen in ausreichenden Mengen synthetisieren kann, die jedoch in bestimmten Situationen wie z.B. infolge von Erkrankungen oder nach operativen Eingriffen Essentialität erlangen können. Zu diesen sogenannten „semiessentiellen“ Aminosäuren zählen L-Arginin, Glycin, L-Cystein, L-Glutamin, L-Tyrosin, L-Serin und Taurin (3).
 
Erhöhung der biologischen Wertigkeit
Nahrungsprotein wird durch Verdauungsprozesse zu einzelnen Aminosäuren abgebaut, die dem Körper zum Aufbau endogener Proteine zur Verfügung stehen. Da das Protein aus der Nahrung aufgrund seiner abweichenden Aminosäurezusammensetzung in unterschiedlichem Maße in Körperprotein umgewandelt werden kann, hängt der tatsächliche Proteinbedarf letztlich davon ab, wie gut das Nahrungsprotein dem Bedarf des Körpers entspricht. Um die ernährungsphysiologische Qualität eines Proteins zu erfassen, wurde der Begriff der biologischen Wertigkeit eingeführt. Biologisch hochwertiges Eiweiß enthält alle essentiellen Aminosäuren in einem optimalen Verhältnis für den effizienten Aufbau von Körperprotein. Diese Wertigkeit bleibt relativ konstant und ändert sich nicht im Laufe eines Lebens (2). Vor allem tierische Eiweißquellen besitzen eine hohe Wertigkeit. Pflanzlichen Lebensmitteln fehlen meist eine oder zwei essentielle Aminosäuren, wodurch sie für den Körper nur von geringerem Wert sind. Man kann aber diese sogenannten limitierenden Aminosäuren gesondert anbieten und somit die biologische Wertigkeit des Nahrungseiweißes erhöhen. Einen ähnlichen Effekt erzielt man durch eine auswählte Kombination verschiedener Lebensmittel mit unterschiedlichen biologischen Wertigkeiten.
 
Die Vorteile hoher biologischer Wertigkeit
Wird vermehrt Eiweiß mit hoher biologischer Wertigkeit zugeführt, kann die Proteinzufuhr eingeschränkt werden. Da ein hoher Proteinkonsum im Allgemeinen mit erheblichen Mengen an Purinen, Cholesterin und gesättigten Fettsäuren einhergeht, die wiederum das Entstehen bestimmter Stoffwechselerkrankungen begünstigen, wird eine Optimierung der Proteinzufuhr generell erwünscht. Bei einer hohen Wertigkeit fallen zudem weniger Abbauprodukte von nicht benötigten Aminosäuren an (Harnstoff aus Ammoniak). Dadurch werden Leber und Nieren entlastet. Bei eingeschränkten Funktionen dieser Organe ist die diätetische Erhöhung der biologischen Wertigkeit des Nahrungsproteins auch eine therapeutische Notwendigkeit.
 
Therapeutischer Einsatz von Aminosäuren bei Sarkopenie
Mit zunehmendem Alter sinkt der Energiebedarf des Menschen, der Bedarf an essentiellen Nährstoffen bleibt aber gleich oder erhöht sich. Da ältere Menschen dazu tendieren, weniger zu essen, ist es notwendig, die Nährstoffdichte zu erhöhen und die biologische Wertigkeit des Proteins zu verbessern. Eine gezielte Nährstoffsubstitution ist für ältere Menschen deshalb von besonderem Vorteil (4). Gleichzeitig zeigen die einzelnen Aminosäuren gute Ergebnisse bei der Behandlung von Sarkopenie. In klinischen Studien konnte belegt werden, dass eine balancierte Supplementierung mit essentiellen Aminosäuren beim älteren Menschen den Muskelaufbau fördern kann und dadurch dem altersassoziierten Abbau von Muskelmasse entgegenwirkt (5). Neue Daten belegen, dass eine langfristige Substitution von essentiellen Aminosäuren, insbesondere von Leucin, den Muskelmetabolismus im Alter positiv beeinflussen und als therapeutischer Ansatz für die Prävention und Behandlung von Sarkopenie gelten kann (6). Der Einsatz von essentiellen Aminosäuren wie Leucin wirkt auch bei einer generell proteinarmen Ernährung einem Muskelabbau entgegen (7).
 
L-Cystin - zentral für die Haarsynthese
Die Aminosäure L-Cystin ist ein wichtiger Baustein für den Aufbau des Haarkeratins, welches aus zwei Molekülen L-Cystein besteht. 90 % des Trockengewichtes des Haar-cortexes bilden Keratine (Proteine), die durch kovalente Disulfidbrücken zwischen den Cysteinresten und schwächeren Dipol-Dipol-Wechselwirkungen zusammengehalten werden. Die Keratine bilden Filamente, die sich wiederum zu Makrofibrillen zusammenlagern. Bei Störungen der Haarbildung sowie bei Haarausfall ist die Substitution schwefelhaltiger Aminosäuren wie Cystein oder Cystin in Kombination mit anderen Haarnährstoffen empfehlenswert (8). Biotin, auch als Vitamin H bekannt, fördert die Einlagerung schwefelhaltiger Aminosäuren, wie L-Cystin, in die Haarwurzel und erhöht so den Anteil der Keratin-Matrix-Proteine (8). Ein Biotinmangel kann sich durch Haarausfall äußern (9).

Mögliche Mangelsymptome

Auswirkung auf Symptomatik
Allgemeinbefinden Muskelschwäche, Leistungsschwäche, Depressionen, Wachstumsstillstand 
Haut Wundheilungsstörungen 
Immunsystem Erhöhte Infektanfälligkeit, Störungen der humoralen und zellulären Immunabwehr 
Muskulatur Muskelabbau 
Magen-Darm Atrophie der Darmmukosa 

Indikation

Effekt Indikation Dosierung
Physiologische Effekte
mit niedrigen
Nährstoffdosierungen
Zur Erhöhung der Nährstoffdichte und der biologischen Wertigkeit der Nahrung; z.B. bei Sarkopenie, bei unterernährten Patienten, bei Niereninsuffizienz  1 g Proteine/kg KG täglich
Zur Deckung des erhöhten Bedarfs beim Sportler, im Wachstum, während Krankheiten und in der Rekonvaleszenzphase 1 – 2 g Proteine/kg KG täglich 

Einnahme

Allgemeiner Einnahmemodus
 
Wann
 
 Proteinogene Aminosäuren sollten zwischen den Mahlzeiten eingenommen werden.
Nebenwirkungen
Nach aktuellem Kenntnisstand sind keine Nebenwirkungen bekannt.
Kontraindikationen
Nach aktuellem Kenntnisstand sind keine Kontraindikationen bekannt.

Interaktionen

Interaktionen mit Arzneimitteln
Keine Nach aktuellem Kenntnisstand sind keine relevanten Wechselwirkungen bekannt.
Interaktionen mit anderen Nährstoffen
Keine Nach aktuellem Kenntnisstand sind keine relevanten Wechselwirkungen bekannt. 

Verbindungen

Beschreibung des Mikronährstoffes
Proteinogene Aminosäuren

Referenzen

Referenzen

1) Hahn, A. et al. Ernährung. Physiologische Grundlagen, Prävention, Therapie. 2005.
2) Reeds, P. J., Garlick, P. J. 2003. Protein and amino acid requirements and the composition of complementary foods. JNutr. 133(9):2953S-61S.
3) Breuille, D. et al. 2005. Beneficial effect of amino acid supplementation, especially cysteine, on body nitrogen economy in septic rats. Clin Nutr.
4) Li, P. et al. 2007. Amino acids and immune function. Br J Nutr. 98(2):237-52.
5) Volpi, E. et al. 2002. Essential amino acids are primarily responsible for the amino acid stimulation of muscle protein anabolism in healthy elderly adults. Am J Clin Nutr. 78(2):250-8.
6) Fujita, S., Volpi, E. 2006. Amino acids and muscle loss with aging. J Nutr. 136:277S-80S.
7) Sugawara, T. et al. 2008. Supplementation with dietary leucine to a protein-deficient diet suppresses myofibrillar protein degradation in rats. J Nutr Sci Vitaminol. 53(6):552-5.

Referenzen Interaktionen
Stargrove, M. B. et al. Herb, Nutrient and Drug Interactions: Clinical Implications and Therapeutic Strategies, 1. Auflage. St. Louis, Missouri: Elsevier Health Sciences, 2008.
Gröber, U. Mikronährstoffe: Metabolic Tuning –Prävention –Therapie, 3. Auflage. Stuttgart: WVG Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 2011.
Gröber, U. Arzneimittel und Mikronährstoffe: Medikationsorientierte Supplementierung, 3. aktualisierte und erweiterte Auflage. Stuttgart: WVG Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 2014.

 

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