Johanniskraut

Synonym(e): Hyperforin, Hypericin, Hypericum perforatum, Johanniskraut-Extrakt
Nährstoffgruppe: Pflanzliche Extrakte & Wirkstoffe, Neurotrope Wirkstoffe

Vorkommen und physiologische Effekte

Vorkommen in der Nahrung
Johanniskraut ist eine Pflanze aus der Familie der Hartheugewächse (Hypericaceae) und ursprünglich in Europa, Westasien und Nordafrika beheimatet. Für die industrielle Nutzung wird Johanniskraut in Deutschland und Österreich, aber auch in Polen und Südamerika landwirtschaftlich angebaut. Das Extrakt findet in Arznei- und Nahrungsergänzungsmitteln Verwendung, es gibt aber auch Johanniskrautöle zur äußeren Anwendung sowie als Johanniskrauttee.
Physiologische Effekte
Nervensystem
  • Angstlösende und antidepressive Effekte durch eine direkte Wirkung auf die Pyramidenneurone des Hippocampus
Schmerzen
  • Schmerzreduktion durch Aktivierung von Opioid- und GABA-Rezeptoren
Hormonstoffwechsel
  • Erhöhung des Melatoninspiegels durch Hemmung der Serotoninwiederaufnahme

Besondere Informationen

Johanniskraut als Therapeutikum bei Depressionen, Ängsten und Schlafstörungen 
Johanniskraut (Hypericum perforatum) erreicht seine therapeutische Effizienz durch das Zusammenwirken mehrerer Wirkstoffklassen. Vor allem die Gruppe der Hypericine, das Hyperforin und andere Flavonoide unterstützen sich gegenseitig und scheinen für die antidepressive, anxiolytische und thymoleptische Wirkung des Johanniskrauts verantwortlich zu sein (1) (2).
Johanniskrautextrakt beeinflusst vor allem die Begleitsymptome von leichten und mittelschweren Depressionen wie Nervosität, Ängste, Unruhe oder Schlafstörungen und wirkt stimmungsaufhellend ohne dabei müde zu machen (3).
In einem Cochrane Review von 29 Studien mit etwa 5000 Patienten war die Wirksamkeit von Johanniskraut bei Depressionen vergleichbar mit synthetischen Antidepressiva, bei besserer Verträglichkeit und geringeren Abbruchraten (4). Aufgrund der Verträglichkeit kann es auch über einen längeren Zeitraum verwendet werden (5).
Wirkmechanismus von Johanniskrautextrakt

Joanniskrautextrakt greift über verschiedene Mechanismen in das neurovegetative Geschehen ein. Der anxiolytische und antidepressive Effekt von Johanniskraut kommt durch eine direkte Wirkung auf die Pyramidenneurone des Hippocampus zustande. Über die Bindung an TRPC6-Kanäle und einer nachfolgenden Permeabilitätserhöhung für Ca- und Na-Ionen reduziert es die Wiederaufnahmerate von Serotonin. Einer neueren Studie zufolge dürfte Johanniskraut einen ähnlichen Wirkmechanismus haben wie der neuroprotektive, körpereigene Wachstumsfaktor BDNF (brain-derived neurotrophic factor) (6). Dadurch werden sowohl die antidepressiven als auch die angstlösenden und die gedächtnisverbessernden Eigenschaften erklärt (7). Durch die Serotoninsteigerung und die damit verbundene Erhöhung der nächtlichen Melatoninsekretion können auch Schlafstörungen positiv beeinflusst werden. Die schmerzhemmende Wirkung von Johanniskrautextrakten kommt über die Aktivierung von Opioidrezeptoren, die Wirkung auf den GABA(A)-Rezeptor-Komplex (8) und die Inhibierung der Proteinkinase C zustande (9).

Indikation

Effekt Indikation Dosierung
Physiologische Effekte
mit niedrigen
Nährstoffdosierungen
Bei leichten bis mittelschweren Depressionen 500 – 1000 mg/d
Bei psychovegetativen Störungen 500 – 1000 mg/d
Bei Angstzuständen 500 – 1000 mg/d
Bei nervöser Unruhe und Erschöpfung 500 – 1000 mg/d
Bei Schlafstörungen 500 – 1000 mg/d

 

Einnahme

Allgemeiner Einnahmemodus
 
Wann
 
Johanniskraut sollte zu den Mahlzeiten eingenommen werden.

Hinweis:
  • Anwendungsdauer: 6 – 8 Wochen. Treten nach 2 – 4 Wochen keine Verbesserungen der Beschwerden ein, ist ein Facharzt zu konsultieren.
  • Hypericin kann unter Umständen zu einer erhöhten Empfindlichkeit gegenüber Sonnenlicht führen. Auch wenn neuen Studien zufolge Fhotosensibilitätsreaktionen bei Extrakten seltener auftreten als bei puren Hypericinpräparaten (10), sollten hellhäutige Personen bei Einnahme von Johanniskrautextrakt intensive Sonnenbestrahlung oder Solarienbesuche vermeiden.
  • Über die Aktivierung von Cytochrom P450 besteht eine Wechselwirkung zwischen Johanniskraut und einigen Gruppen von Medikamenten. Insbesondere bei Einnahme von Zytostatika, Cyclosporinen, antiretroviralen Medikamenten oder Antidepressiva (11) darf Johanniskraut nicht angewendet werden. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass Johanniskraut die Wirkung oraler Kontrazeptiva („Pille“) beeinträchtigt (11).
  • Aufgrund des hyperincininduzierten verstärkten Abbaus von Calcitriol sollte während der Einnahme von Johanniskrautextrakt Vitamin D supplementiert werden (12).
Nebenwirkungen
In seltenen Fällen können gastrointestinale Beschwerden (Übelkeit, Durchfall) oder allergische Hautreaktionen (Juckreiz, Rötungen) auftreten.
 
Kontraindikationen
Schwangerschaft, Stillzeit, Kinder und Jugendliche. Die gleichzeitige Einnahme von Johanniskrautextrakt mit Medikamenten sollte grundsätzlich vermieden werden, insbesondere bei Anwendung von Immunsuppressiva, Asthmamedikamenten und Gerinnungshemmern.

Interaktionen

Interaktionen mit Arzneimitteln
Estrogene/Gestagene
(orale Kontrazeptiva)
Bei niedrig dosierten oralen Kontrazeptiva können bei gleichzeitiger Einnahme Schmierblutungen und eine verminderte kontrazeptive Wirkung auftreten.
Antikoagulantien
(Phenprocoumon)
Bei gleichzeitiger Einnahme kann es zu einem signifikanten Abfall der Plasmaspiegel von Phenprocoumon kommen.
Asthmamittel
(Theophyllin)
Beschleunigter Abbau von Theophyllin bei gleichzeitiger Einnahme.
Sedativa
(z.B. Alprazolam, Triazolam, Brotizolam)
Bei Zugabe des Sedativums zu Johanniskraut sind erniedrigte Spiegel des Sedativums zu erwarten.

Bei Zugabe von Johanniskraut zum Sedativum ist mit einer Erhöhung der Plasmaspiegel des Sedativums zu rechnen.

Immunsuppressiva
(Tacrolimus, Cyclosporin)
Ein kombinierte Einnahme führt zu signifikant niedrigeren Spiegeln und Therapieversagen von Cyclosporin und Tacrolimus.
Interaktionen mit anderen Nährstoffen
5-HTP
Johanniskraut und Griffonia nicht kombinieren. Bei gleichzeitiger Einnahme von 5-HTP und Johanniskraut (Hauptinhaltsstoff Hyperforin) kommt es zu einer verstärkten Wirkung. Die Gefahr einer toxischen Serotoninkonzentration steigt erheblich (Serotoninsyndrom).

Referenzen

Referenzen

1) Wagner, H., Wiesenauer, M. 2003. Phytotherapie. Phytopharmaka und pflanzliche Homöopathika.
2) Deutsche Kommission E. 1984. Monographie Hyperici herba (Johanniskraut). Bundesanzeiger.
3) Laakmann, G. et al. 2002. Hypericum perforatum extract in treatment of mild to moderate depression. Clinical and pharmacological aspects. Nervenarzt. 73(7):600-12.
4) Linde, K. et al. 2008. St John's wort for major depression. Cochrane Database Syst Rev. (4):CD000448.
5) Sarris, J. et al. 2012. St John's Wort (Hypericum perforatum) versus Sertraline and Placebo in Major Depressive Disorder: Continuation Data from a 26-Week RCT. Pharmacopsychiatry.
6) Leuner K, Li W, Amaral MD, Rudolph S, Calfa G, Schuwald AM, Harteneck C, Inoue T, Pozzo-Miller L. 2012. Hyperforin modulates dendritic spine morphology in hippocampal pyramidal neurons by activating Ca (2+)-permeable TRPC6 channels. Hippocampus.
7) Laakmann, G. et al. 1998. St. John’s wort in mild and moderate depression: the relevance of hyperforin for the clinical efficacy. Pharmacopsychiatry. 3(Suppl 1):54-9.
8) Yaşar, S. N. et al. 2012. Central Nervous System Activities of Hypericum origanifolium Extract via GA-BAergic and Opioidergic Mechanisms. Phytother Res.
9) Galeotti, N. et al. 2012. St. John's Wort reduces neuropathic pain through a hypericin-mediated inhibition of the protein kinase Cgamma and epsilon activity. Biochem Pharmacol. 79(9):1327-36.
10) Schmitt LA, Liu Y, Murphy PA, Petrich JW, Dixon PM, Birt DF: Reduction in hypericin-induced phototoxicity by Hypericum perforatum extracts and pure compounds. J Photochem Photobiol B. 2006 Nov 1; 85 (2): 118-30.
11) Davis, S. A. et al. 2014. Use of St. John's Wort in Potentially Dangerous Combinations. The Journal of Alternative and Complementary Medicine. 20(7):578-579.
12) Gröber, U. 2011. Mikronährstoffe. Metabolic Tuning – Prävention – Therapie. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft.

Referenzen Interaktionen
Stargrove, M. B. et al. Herb, Nutrient and Drug Interactions: Clinical Implications and Therapeutic Strategies, 1. Auflage. St. Louis, Missouri: Elsevier Health Sciences, 2008.
Gröber, U. Mikronährstoffe: Metabolic Tuning –Prävention –Therapie, 3.
Auflage. Stuttgart: WVG Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 2011.
Gröber, U. Arzneimittel und Mikronährstoffe: Medikationsorientierte Supplementierung, 3. aktualisierte und erweiterte Auflage. Stuttgart: WVG Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 2014.

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